Samstag, 12. Januar 2008

Aristoteles - Der Zusammenhang des Seienden

Wie kann man sich aber dem umfangreichen Projekt nähern, Prinzipien und Ursachen des Seienden als solchem zu finden? Was haben die verschiedenen seienden Dinge eigentlich gemeinsam? Offenbar ist Sein keine Eigenschaft wie etwa Röte, die einem Ding noch zusätzlich zu allen anderen Eigenschaften, die es besitzt, zukommt. Wäre dies so, könnte man nämlich nie darüber streiten, ob es ein so und so beschaffenes Ding (z.B. hundert Taler) wirklich gibt oder nicht (d.h. ob ein Begriff erfüllt ist), da es sich bei beiden um verschiedene Dinge mit verschiedenen Eigenschaften handelte. Kant hat diesen Sachverhalt in die These gegossen, dass Sein kein reales Prädikat ist. Die Antwort, die man bei Aristoteles finden kann, ist, dass zu sein heißt, einer Natur anzugehören. So sagt er: „Da wir aber die Prinzipien und die äußersten Ursachen suchen, ist klar, dass sie notwendig die von einer gewissen Natur an sich sein müssen.“ (1003a 26-28) Man kann generell zwei Begriffe von Natur unterscheiden, einen relativen (die Natur eines Sache, die bei jedem eine andere ist) und einen absoluten (die Natur aller Dinge, der Kosmos). Aristoteles scheint hier Natur in absoluter Bedeutung zu verwenden im Sinne eines geordneten, durch bestimmte Gesetze geregelten Ganzen. Danach hieße es für etwas zu existieren eben in diesem Ganzen seinen Platz zu haben und mit anderen seienden Dingen in einem Zusammenhang zu stehen. Eine solche Vorstellung ist auch bei vielen Vorsokratikern zu finden, die den Kosmos ja als ein solches Ordnungsgefüge betrachten und oft dem Ungeordneten und Regellosen entgegensetzen wie etwa Anaximander, der letzteres das apeiron nennt. Auch Parmenides betont in seinem Fragment B4 den durchgängigen Zusammenhang dessen, was seiend ist: „Entdecke durch Denken (nous) das, was fort ist, dennoch als sicher daseiend. Denn es wird das Seiende nicht abschneiden vom Zusammenhalten mit Seiendem, weder wo es überallhin zerstreut ist über den Kosmos, noch wo es zusammentritt“ (DK 28 B4). Aristoteles stellt sich auch sogleich in die Tradition der frühen Naturphilosophen, wenn er sich auf „diejenigen, die die Elemente der daseienden Dinge suchen“ (1003a 28/29), beruft. Sie hätten nämlich ebenfalls nach Metaphysik betrieben, indem sie nach Prinzipien und Ursachen des Seienden, insofern es ist, suchten. Nur glaubt Aristoteles, dass es falsch ist, die ersten Prinzipien in den Elementen der Dinge zu suchen.

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