Samstag, 27. Oktober 2007

Literatur zu Protagoras

1. Textausgaben:

Nestle, W., Die Vorsokratiker, 4. Aufl., Düsseldorf 1956.

Schirren, Th., Zinsmaier, Th. (Hrsg.), Die Sophisten. Ausgewählte Texte (griechisch/deutsch), Stuttgart 2003. [Eine günstige Reclam-Ausgabe, die man sich ruhig anschaffen kann.]

Sprague, R. K., The Older Sophists. A Complete Translation, Columbia 1972.

2. Sekundärliteratur:

Bernsen, N. O., „Protagoras' Homo-Mensura-Thesis“, in: Classica et Mediaevalia 30 (1969=1974), S. 109-144.

Buchheim, Th., Die Sophistik als Avantgarde normalen Lebens, Hamburg 1986. [Nicht ganz leicht, aber sehr aufschlussreich. Kap. II: Der Homo-Mensura-Satz, S. 43-65 und 77-79, ist Pflichtlektüre. PDF1; PDF2]

Classen, C. J., „Protagoras' Aletheia“, in: P. Huby, G. Neal (Hrsg.), The Criterion of Truth. Festschrift G. B. Kerfeld, Liverpool 1989, S. 13-38.

Cole, A. T., „The Relativism of Protagoras“, in: Yale Classical Studies 22 (1972), S. 19-45.

Döring, K., Die Philosophie der Antike; Bd. 2,1, Sophistik, Sokrates, Sokratik, Mathematik, Medizin, hrsg. von H. Flashar, Basel 1998. [Etwas mühsam zu lesen, aber ein guter Überblick, auch über die (v.a. deutschsprachige) Sekundärliteratur. Zum Nachschlagen empfohlen.]

Fritz, K. von, „Protagoras“, in: Realenzyklopädie 23,1 (1957), 908-921.

Guthrie, W. K. C., The Sophists, Cambridge 1971.

Huss, B., „Der Homo-Mesura-Satz des Protagoras. Ein Forschungsbericht“, in: Gymnasium 103 (1996), S. 229-257.

Kerferd, G. B., The Sophistic Movement, Cambridge 1969.

Kullmann, W., „Zur Nachwirkung des homo-mensura-Satzes des Protagoras bei Demokrit und Epikur“, in: Archiv für Geschichte der Philosophie 51 (1969), S. 128-144.

Taureck, B. H. F., Die Sophisten zur Einführung, Hamburg 1995. [Eine gut verständliche, grundlegende Einführung. Das Kapitel über den Homo-Mensura-Satz des Protagoras (S. 98-111) ist Pflichtlektüre. PDF]

Donnerstag, 25. Oktober 2007

Parmenides: Die zwei Wege im Teil über die Wahrheit

Wenn Parmenides die zwei Wege der Nachforschung beschreibt, ist es wichtig im Auge zu behalten, dass er zwei Methoden vorstellt, denen eine Untersuchung folgen kann. Parmenides macht keine ontologischen Annahmen. Er sagt lediglich, dass nur der Weg der Wahrheit zur Erkenntnis führt, weil der andere Weg sein Ziel verleugnet, indem er nach nichts ( nach dem, was nicht ist / was etwas nicht ist) sucht und somit auch nichts finden kann. Parmenides etabliert also durch diese methodische Überlegung eine Asymmetrie zwischen Sein und Nichtsein, und dies gelingt ihm nur, weil er gerade nicht bei der Frage nach dem ontologischen Status des Nicht-Seienden ansetzt, sondern bei der nach der Wissbarkeit von etwas. Nach was eigentlich gesucht wird, d.h. was der Gegenstand der Untersuchung ist, ist nicht klar, denn den Beschreibungen der beiden Wege („dass ist und dass nicht-sein ausgeschlossen ist“ sowie „dass nicht ist und dass geboten ist nicht-sein“) fehlt das Subjekt. Dadurch sind die beiden Methoden auf alles anwendbar. Sie sind aber nicht kombinierbar, denn sie widersprechen sich. Zu diesem Widerspruch ist jedoch Folgendes anzumerken: „dass ist“ und „dass nicht ist“ sind kontradiktorische Aussagen, d.h. wenn die eine falsch ist, ist die andere wahr und umgekehrt. „Dass nicht-sein ausgeschlossen ist“ (Unmöglichkeit) und „dass geboten ist nicht-sein“ (Notwendigkeit) sind jedoch konträre Aussagen, d.h. sie können nicht beide wahr, aber sie können beide falsch sein. Parmenides war sich wohl nicht im Klaren über die verschiedenen Arten des Widerspruchs.

Die ersten Zeilen des Proömiums im Gedicht des Parmenides

In den ersten Zeilen des parmenideischen Gedichts wird eine rasante Wagenfahrt geschildert. Wir erfahren, dass der Insasse des Wagens ein Wissenschaft hegender Mann ist. Die Wagenfahrt kann als Metapher für den Gang einer wissenschaftlichen Untersuchung gedeutet werden. Diese Untersuchung führt den, der sich ihr verschrieben hat, mit Notwendigkeit dem einen Ziel, nämlich der Wahrheit, entgegen. Zu diesem Ziel gibt es nur einen einzigen, vorgezeichneten Weg, den der nach Wissen Suchende noch nicht kennt. Aber er findet viele Wegweiser, die ihm zeigen, dass er sich auf dem richtigen Weg befindet. Es wird im Proömium ganz deutlich, dass nicht er es ist, der darüber entscheidet, ob er den Weg weiter begehen möchte oder nicht. Er sitzt im Wagen und wird unvermeidlich und ohne Verzug zu seinem Ziel gebracht. Er ist ausgeliefert an den Wagen, die ihn ziehenden Stuten und die Mädchen, die den Weg weisen. Genauso ist der Wissenschaftler den Gesetzen der Untersuchung unterworfen, die durch den Gegenstand der Untersuchung festgelegt sind, nicht durch den Betrachter. Nur so kann der Gegenstand, wie er an sich ist, erkannt werden.

Montag, 15. Oktober 2007

Literatur zu Parmenides

Primärliteratur:

Hölscher, U., Parmenides. Vom Wesen des Seienden. Die Fragmente griech. u. dt., Frankfurt 1986

Sekundärliteratur:

Curd, P., The legacy of Parmenides. Eleatic monism and later Presocratic thought, Princeton NJ 1998. [Sehr gut lesbar. Sieht keinen radikalen Bruch des P. mit den vorsokratischen Naturphilosophen, daher auch gegen die Standardinterpretation (v.a. gegen Owen), dass Parmenides einen numerischen Monismus vertritt, vielmehr einen prädikativen Monismus, d.h. die These, das jedes Ding, das ist, eine Einheit bildet. Doxa nicht ganz zu verwerfen, sondern, obwohl falsch, für uns der beste Weg, empirisches Wissen zu erlangen. Pflichtlektüre: Kap. I: Parmenides and the Inquiry into Nature, S. 24-63. (
PDF1, PDF2) ]

Fritz, K. von, „Die Rolle des ΝΟΥΣ“, in: Gadamer (Hrsg.), Um die Begriffswelt, Darmstadt 1968, S. 246-363. [Ausschnitt aus einer Begriffsgeschichte des Nous. Aufschlussreich zur Frage, ob sich der Nous mit Nichtsein, Falschheit und Täuschung in Verbindung bringen lässt. Der griech. Text ist nicht immer übersetzt.]

Kahn, Ch. H., „Being in Parmenides and Plato“, in: Parola del Passato 43 (1988), S. 237-261. [Argumentiert, dass esti prädikativ und veridisch und nicht existentiell zu verstehen ist (gegen Owen, mit Mourelatos). Behandelt im 3. Abschnitt Platons Parmenides-Rezeption, wobei er zeigt, dass Platons Seinsbegriff in der Ideenlehre viel mit dem des Parmenides ggemein hat und Platon nur das parmenideische Konzept vom Nichtsein verwirft. Etwas zu technisch, Platon-Behandlung interessant, aber sehr knapp.]

Mourelatos, A. P. D., The Route of Parmenides, New Haven u.a. 1970. [Die klassische Gegenposition zu Owen: Esti hat prädikative, nicht existentielle Bedeutung]

Owen, G. E. L., „Eleatic Questions“, in: Classical Quarterly 10 (1960), S. 84–102. Reprinted with additional notes in Furley and Allen, vol. II, S. 48–81; revised edn. in Owen, 1986. [P. als philosophischer Pionier, der mit den Kosmologen bricht. Doxa hat kein eigenes Recht. Owen vertritt die These, dass esti in existenzieller Bedeutung zu lesen ist. Etwas speziell und kompliziert, jedoch ein sehr einflussreicher Aufsatz, der eine lange Debatte auslöste.]

White, H., What is what-is? A Study of Parmenides Poem, New York 2005. [In der Art eines Kommentars geschrieben, der Ordnung des Textes folgend und ihn sorgfältig interpretierend.]