1. Textausgaben:
Eigler, G. (Hrsg.), Platon, Werke Bd. 6: Theaitetos, Sophistes, Politikos, (übersetzt von Fr. Schleiermacher, griech. Text von L. Robin, L. Méridier), Darmstadt 1974.
2. Sekundärliteratur:
Bostock, D., „Plato on ‚Is not’“, in: Oxford Studies in Ancient Philosophy 2 (1984), S. 89-119
Cornford, F. M., Plato’s Theory of Knowledge, London 1935, reprinted 1960.
Frede, M., Prädikation und Existenzaussage, Hypomnemata 18, Göttingen 1967.
Frede, M., „Plato’s Sophist on false statements“, in: R. Kraut (Hrsg.), The Cambridge Companion to Plato, Cambridge 1992, S. 397-424. [Pflichtlektüre. PDF]
Heinaman, R., „Being in the Sophist“, in: Archiv für Geschichte der Philosophie 65 (1983), S. 1-17.
Rijk, L. M. de, Plato’s Sophist. A Philosophical Commentary, Amsterdam 1986.
Wiggins, D., „Sentence Meaning, Negation, and Plato’s Problem of Not Being“, in:
G. Vlastos (Hrsg.), Plato. A Collection of Critical Essays Vol. I: Metaphysics and Epistemology, Garden City NY 1971, S. 268-303.
Freitag, 23. November 2007
Demokrit: Eine Ethik für den Einzelnen
Auch wenn man bei Demokrit eine Reihe von Motiven der klassischen Ethik erkennen kann (Sorge um die Seele, Vorherrschaft der Vernunft, Kritik übermäßiger leiblicher Genüsse), ist zu bemerken, dass Demokrit eine strikt individualistische Ethik vertritt. Es geht nicht um das Wohlergehen der Gemeinschaft, sondern um das des Einzelnen. Ebenso geht es nicht um unabhängige, unveränderliche ethische Wahrheiten. Was gut und schlecht ist, ist relativ zum Individuum und dessen physischer Verfassung. Darin gleicht er einerseits Protagoras, der ebenfalls das Maß aller Dinge im Menschen verortet, andererseits unterscheidet er sich doch erheblich von diesem, indem er in der atomaren Struktur, die das ontologische Fundament bildet, doch noch einen unabhängigen Maßstab findet jenseits der jeweiligen Erscheinung (bei Protagoras macht es streng genommen gar keinen Sinn, von einer Ontologie zu reden). Aber das Maß bleibt auch bei Demokrit die (physische) Beschaffenheit des einzelnen Individuums, die ihm eigen ist und daher keine strikt generalistischen moralischen Propositionen begründen kann.
Demokrit: Die Atomstruktur der Seele
In der Interpretation von Gregory Vlastos ist Wohlgemutheit nur das, was an der Oberfläche erscheint und was wir unmittelbar merken. Ihr zugrunde liegt jedoch, was Demokrit euestó (von eu – gut, und estó – dorisch: sein) nennt: ein wohlgeordnetes Verhältnis der Seelenatome untereinander. Demokrit hat in seinen naturphilosophischen Schriften die Auffassung vertreten, dass die Seele ebenso aus Atomen besteht wie alle anderen physikalischen Körper auch. Die Atome der Seele sind rund und besonders beweglich, wodurch die Seele einerseits besonders gut Einwirkungen von außen aufnehmen kann (z.B. wahrnehmen) und als Beweglichstes den Rest des Körpers bewegen, andererseits ist die Gefahr besonders groß, dass die Atome in Unordnung geraten. Die „großen Pendelausschläge“ im Frg. 191 beziehen sich möglicherweise nicht nur auf Wechsel der Launen, sondern auf übermäßige Atombewegung. Es ist aufgrund der Beweglichkeit der Seelenatome eine große Kunst, das richtige Maß zu halten. Das ist der Fall, wenn sich die Atome in ihrem natürlichen Schwingungszustand befinden (Vlastos: „dynamic equilibrium“).
Vlastos zeigt die weitgehende Parallelisierung des euestó der Seele mit der Gesundheit des Körpers auf. Daher mag es verwundern, dass im Falle der Seele ihr Wohlergehen nicht durch Gymnastik sichergestellt wird, sondern durch Vernunft, und dass die zuständige Wissenschaft nicht die Medizin (heute etwa die Psychiatrie), sondern die Ethik ist. Mit der Zuweisung der Vernunft an die Seele und der Bestimmung der Seele als dasjenige, das den Körper bewegt und steuert, etabliert Demokrit eine Vorherrschaft der Vernunft und eine gewisse Unabhängigkeit des Menschen von seiner Umwelt. Der Mensch kann durch Wahl der richtigen Lebensweise seine Seele und seinen Körper erhalten und pflegen.
Vlastos zeigt die weitgehende Parallelisierung des euestó der Seele mit der Gesundheit des Körpers auf. Daher mag es verwundern, dass im Falle der Seele ihr Wohlergehen nicht durch Gymnastik sichergestellt wird, sondern durch Vernunft, und dass die zuständige Wissenschaft nicht die Medizin (heute etwa die Psychiatrie), sondern die Ethik ist. Mit der Zuweisung der Vernunft an die Seele und der Bestimmung der Seele als dasjenige, das den Körper bewegt und steuert, etabliert Demokrit eine Vorherrschaft der Vernunft und eine gewisse Unabhängigkeit des Menschen von seiner Umwelt. Der Mensch kann durch Wahl der richtigen Lebensweise seine Seele und seinen Körper erhalten und pflegen.
Demokrit über das gute Leben
Wohlgemutheit (euthymia - von eu – gut, und thumos – Mut, Gefühl; bei Platon: „eifernder“ Seelenteil) zeichnet nach Demokrit das gute Leben aus. Diesen Zustand der Seele sollte jedes Individuum anstreben und erhalten. Um Ausgewogenheit zu erreichen muss das Individuum sein Verhältnis zur Umwelt (also die eigenen Ziele, die Bewertung der eigenen Leistungen sowie der Leistungen anderer) richtig bestimmen. Setzt es z.B. die eigenen Ziele zu hoch, ist das Scheitern vorprogrammiert. Aber auch ein äußerst lustvoller Zustand ist selten von Dauer. So ist nach Demokrit das Ebenmaß nicht nur dem Schmerz, sondern auch großer Lust vorzuziehen. Es liegt in der Macht des Einzelnen, ein zufriedenes Leben zu leben, denn was immer die äußeren Umstände sein mögen, kann er doch seine Erwartungen damit abgleichen. Demokrit wendet sich damit ebenso wir Protagoras entschieden gegen einen Schicksalsglauben, dessen Spuren in der Lyrik noch gut erkennbar sind. In dieser Hinsicht nimmt Demokrit einiges vorweg, was die stoische Ethik kennzeichnet.
Sonntag, 11. November 2007
Literatur zu Platons Phaidon
1. Textausgaben:
Ebert, Th., Platon: Phaidon. Übersetzung und Kommentar, in: E. Heitsch, C. W. Müller (Hrsg.) Platon, Werke, (Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz), Göttingen 2004.
Eigler, G. (Hrsg.), Platon, Werke Bd. 3: Phaidon, Symposion, Kratylos, (übersetzt von Fr. Schleiermacher, griech. Text von L. Robin, L. Méridier), Darmstadt 1974. [Die klassische Platon-Übersetzung aus dem 19. Jh. von Friedrich Schleiermacher.]
2. Sekundärliteratur:
Eck, Job van, „Skopein en logois: On Phaedo 99d-103c“, in: Ancient Philosophy 14 (1994), S. 21-40. [Der Gegner von Rowe in einer längeren Debatte.]
Frede, D., Platons ‚Phaidon‘. Der Traum von der Unsterblichkeit der Seele, Darmstadt 1999. [Eine gute Einführung.]
Frede, M., “The Original Notion of a Cause”, in: M. Schofield u.a. (Hrsg.), Doubt and Dogmatism, Oxford 1980, S. 217-249.
Sedley, D., „Platonic Causes“, in: Phronesis 43 (1998), S. 114-132. [Erstaunlich gut verständlicher Artikel, sehr geeignet als Einführung in Platons Theorie der Kausalität. Ist jedoch eher an systematischen Fragen interessiert und geht nicht genauer auf einzelne Textstellen ein. Außerdem betrachtet er eine ganze Reihe von Dialogen, nicht nur den Phaidon. Nach der Erläuterung der platonischen These, dass Gleiches durch Gleiches verursacht wird, geht Sedley im zweiten Abschnitt auf Formursachen ein und betrachtet zum Schluss das Argument vom Dritten Menschen aus dem Parmenides. Pflichtlektüre. PDF]
Rowe, Cristopher, „Explanation in Phaedo 99 C 6-102 A 8“, in: Oxford Studies in Ancient Philosophy 11 (1993), S. 49-69. [Zur weiteren Auseinandersetzung zwischen Rowe und van Eck vgl. Oxford Studies in Ancient Philosophy 14 (1996), S. 211-240].
Vlastos, G., „Reasons and Causes in the Phaedo“, in: ders. (Hrsg.), Plato. A Collection of Critical Essays Vol. I: Metaphysics and Epistemology, Garden City NY 1971, S. 132-166.
Ebert, Th., Platon: Phaidon. Übersetzung und Kommentar, in: E. Heitsch, C. W. Müller (Hrsg.) Platon, Werke, (Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz), Göttingen 2004.
Eigler, G. (Hrsg.), Platon, Werke Bd. 3: Phaidon, Symposion, Kratylos, (übersetzt von Fr. Schleiermacher, griech. Text von L. Robin, L. Méridier), Darmstadt 1974. [Die klassische Platon-Übersetzung aus dem 19. Jh. von Friedrich Schleiermacher.]
2. Sekundärliteratur:
Eck, Job van, „Skopein en logois: On Phaedo 99d-103c“, in: Ancient Philosophy 14 (1994), S. 21-40. [Der Gegner von Rowe in einer längeren Debatte.]
Frede, D., Platons ‚Phaidon‘. Der Traum von der Unsterblichkeit der Seele, Darmstadt 1999. [Eine gute Einführung.]
Frede, M., “The Original Notion of a Cause”, in: M. Schofield u.a. (Hrsg.), Doubt and Dogmatism, Oxford 1980, S. 217-249.
Sedley, D., „Platonic Causes“, in: Phronesis 43 (1998), S. 114-132. [Erstaunlich gut verständlicher Artikel, sehr geeignet als Einführung in Platons Theorie der Kausalität. Ist jedoch eher an systematischen Fragen interessiert und geht nicht genauer auf einzelne Textstellen ein. Außerdem betrachtet er eine ganze Reihe von Dialogen, nicht nur den Phaidon. Nach der Erläuterung der platonischen These, dass Gleiches durch Gleiches verursacht wird, geht Sedley im zweiten Abschnitt auf Formursachen ein und betrachtet zum Schluss das Argument vom Dritten Menschen aus dem Parmenides. Pflichtlektüre. PDF]
Rowe, Cristopher, „Explanation in Phaedo 99 C 6-102 A 8“, in: Oxford Studies in Ancient Philosophy 11 (1993), S. 49-69. [Zur weiteren Auseinandersetzung zwischen Rowe und van Eck vgl. Oxford Studies in Ancient Philosophy 14 (1996), S. 211-240].
Vlastos, G., „Reasons and Causes in the Phaedo“, in: ders. (Hrsg.), Plato. A Collection of Critical Essays Vol. I: Metaphysics and Epistemology, Garden City NY 1971, S. 132-166.
Protagoras: Es gibt keinen Widerspruch
Wenn man einmal akzeptiert hat, dass es keinen prinzipiellen Unterschied gibt zwischen Sein, Vorstellen und Rede (oder allgemeiner zwischen Welt, Geist und Sprache), sondern alles in der Erscheinung zusammenfällt, muss man auch denken, dass zwei Erscheinungen gar nicht identisch sein können, sondern allenfalls gleichartig. Man kann sich über Erscheinungen nicht streiten, denn um zu streiten muss man sich doch auf dasselbe beziehen. Diese bestimmte Erscheinung, die ich habe, kann aber gar nicht dieselbe sein, die du hast. Wenn wir beide Wind sagen, reden wir daher nicht über dieselbe Sache.
Protagoras: Die Inflation der Wahrheit
Indem alles, was ist, als Erscheinung, die wir wahrnehmen, existiert, haben wir Zugang zur gesamten Realität und sind immer schon im Besitz der ganzen Wahrheit. Diese Konsequenz des Homo-Mensura-Satzes könnte Protagoras dazu veranlasst haben, ihn an den Anfang seiner Schrift mit dem Titel „Wahrheit“ (nicht erhalten) zu setzen. Hier kommt er, indem er die gegenteilige Voraussetzung wie Parmenides trifft, dass nämlich das Sein genau das ist, was wir sinnlich erfassen, auch zur gegenteiligen Konsequenz, dass wir nämlich die Wahrheit schon besitzen, wogegen Parmenides behauptet, dass sie den Sterblichen dadurch, dass diese sich an die Wahrnehmung halten, ganz entzogen ist.
Protagoras: Sein besteht im Erscheinen
Der Homo-Mensura-Satz des Protagoras ist uns in zwei Quellen überliefert, einmal bei Sextus Empirikus und einmal bei Platon im Theaitet. Wenn Platon dort Sokrates den Satz zuerst deuten lässt, entspricht dies der naheliegenden Interpretation, dass dasselbe Ding dem einen Betrachter so erscheint, dem anderen anders: derselbe Wind erscheint einmal kalt, ein andermal warm. Wenn man den Satz allerdings näher betrachtet, scheint es unwahrscheinlich, dass Protagoras ihn so gemeint hat. Es ist anzunehmen, dass er nicht unterschieden hat zwischen den Dingen selbst und unseren Repräsentationen der Dinge. Seine Auffassung war vielmehr, dass die Dinge erst im Erscheinen ihr Sein erlangen und dann so bestimmt sind wie sie wahrgenommen werden. Das heißt, dass die Dinge der Erscheinung nicht als Substrat zugrunde liegen. Leugnet man jedoch dieses, ist es auch nicht möglich, klar zwischen Gegenständen, Qualitäten und Situationen zu unterscheiden. Was zur Erscheinung kommt, ist eine bestimmte Beschaffenheit, nicht aber eine Eigenschaft, die von einem zugrunde liegenden Gegenstand ausgesagt wird, denn das hieße ja, dass der Gegenstand an sich noch etwas anderes wäre als die gerade von ihm ausgesagte Eigenschaft. Ist der ontologische Unterschied zwischen Substanz und Akzidens einmal etabliert, ist es gar nicht mehr so leicht, ihn wegzudenken. Daher kostet es Platon im Theaitet auch erhebliche Anstrengungen, den ersten so einleuchtenden Vorschlag des Sokrates zu modifizieren, um Protagoras Rechnung tragen zu können. Wie selbstverständlich wir auch heute diesen Unterschied hinnehmen und davon ausgehen, dass eine Erscheinung etwas, das erscheint, voraussetzt, sieht man etwa an solchen Phänomenen wie Nachbildern, die offenbar keinem Gegenstand angehören und daher als Illusion klassifiziert werden.
Freitag, 2. November 2007
Literatur zu Demokrit
1. Textausgaben:
Jürss, F., R. Müller, E.G. Schmidt (Hgg.): Griechische Atomisten. Texte und Kommentare zum materialistischen Denken der Antike, Leipzig 1977, Berlin 1984. [sehr vollständig deutsch zu Leukipp, Demokrit und Epikur]
Löbl, R. (Hrsg.), Demokrit. Texte zu seiner Philosophie, ausgew., übers., komm. und interpr., Amsterdam 1989.
Taylor, C. C. W., The Atomists: Leucippus and Democritus, Toronto 1999.
2. Sekundärliteratur:
Kahn, C., „Democritus and the Origins of Moral Psychology“, in: American Journal of Philology 106 (1985), S. 1–31. [Gut verständlich, aber weniger grundlegend als Vlastos. Untersucht, inwiefern Demokrits Ethik eine Folie bildet für Platons Dialoge und untersucht Gemeinsamkeiten der beiden Theorien.]
Taylor, C.C.W., “Pleasure, Knowledge and Sensation in Democritus”, in: Phronesis 12 (1967), S. 6-27. [Schwierig, aber interessant, weil Taylor sehr genau auf Vlastos eingeht und dessen Thesen anhand genauer Analyse der Fragmente überprüft. Seine Konklusion: es gibt eine enge Verbindung zwischen Demokrits Ethik und Atomtheorie, aber sie liegt darin, dass wir für beides Wissenschaft benötigen und nicht nur Wahrnehmung bzw. gesunden Menschenverstand, nicht wie Vlastos behauptet im euestó. Griechischer Text nicht übersetzt, aber meist paraphrasiert.]
Taylor, C.C.W., „The Atomists“, in: Long, A. A., (Hrsg.), 1999, The Cambridge Companion to Early Greek Philosophy, Cambridge 1999, S. 181-204. [Einführender Überblicksartikel über die frühe antike Atomtheorie.]
Vlastos, G., „Ethics and Physics in Democritus“, in: Philosophical Review 54 (1945), S. 578–592 und 55 (1946), S. 53–64. Abgedruckt in: R. E. Allen, David J. Furley (ed.), Studies in Presocratic Philosophy Vol. II, London 1975, S. 381-408. [Sehr gut verständlicher Überblick über Grundbegriffe demokritischer Ethik – Seele, Wohlbefinden (euestó), Lust, das Gute – und bringt diese in direkten Zusammenhang mit D. materialistischer Atomtheorie. Im letzten Abschnitt des ersten Teils Konstrastierung dieser Theorie mit dem Homo-Mensura-Satz des Protagoras. Pflichtlektüre, PDF 1, PDF 2]
Jürss, F., R. Müller, E.G. Schmidt (Hgg.): Griechische Atomisten. Texte und Kommentare zum materialistischen Denken der Antike, Leipzig 1977, Berlin 1984. [sehr vollständig deutsch zu Leukipp, Demokrit und Epikur]
Löbl, R. (Hrsg.), Demokrit. Texte zu seiner Philosophie, ausgew., übers., komm. und interpr., Amsterdam 1989.
Taylor, C. C. W., The Atomists: Leucippus and Democritus, Toronto 1999.
2. Sekundärliteratur:
Kahn, C., „Democritus and the Origins of Moral Psychology“, in: American Journal of Philology 106 (1985), S. 1–31. [Gut verständlich, aber weniger grundlegend als Vlastos. Untersucht, inwiefern Demokrits Ethik eine Folie bildet für Platons Dialoge und untersucht Gemeinsamkeiten der beiden Theorien.]
Taylor, C.C.W., “Pleasure, Knowledge and Sensation in Democritus”, in: Phronesis 12 (1967), S. 6-27. [Schwierig, aber interessant, weil Taylor sehr genau auf Vlastos eingeht und dessen Thesen anhand genauer Analyse der Fragmente überprüft. Seine Konklusion: es gibt eine enge Verbindung zwischen Demokrits Ethik und Atomtheorie, aber sie liegt darin, dass wir für beides Wissenschaft benötigen und nicht nur Wahrnehmung bzw. gesunden Menschenverstand, nicht wie Vlastos behauptet im euestó. Griechischer Text nicht übersetzt, aber meist paraphrasiert.]
Taylor, C.C.W., „The Atomists“, in: Long, A. A., (Hrsg.), 1999, The Cambridge Companion to Early Greek Philosophy, Cambridge 1999, S. 181-204. [Einführender Überblicksartikel über die frühe antike Atomtheorie.]
Vlastos, G., „Ethics and Physics in Democritus“, in: Philosophical Review 54 (1945), S. 578–592 und 55 (1946), S. 53–64. Abgedruckt in: R. E. Allen, David J. Furley (ed.), Studies in Presocratic Philosophy Vol. II, London 1975, S. 381-408. [Sehr gut verständlicher Überblick über Grundbegriffe demokritischer Ethik – Seele, Wohlbefinden (euestó), Lust, das Gute – und bringt diese in direkten Zusammenhang mit D. materialistischer Atomtheorie. Im letzten Abschnitt des ersten Teils Konstrastierung dieser Theorie mit dem Homo-Mensura-Satz des Protagoras. Pflichtlektüre, PDF 1, PDF 2]
Parmenides: Was die Menschen vom wahren Weg ablenkt
Zur Interpretation der Fragmente B6 und B7: Es gibt nur zwei Wege der Nachforschung, den, der zur Wahrheit führt, und den, der „völlig bar jeder Kunde“ ist. Die „doppelköpfigen“ Sterblichen aber können sich nicht entscheiden zwischen beiden Wegen. (Das ist eine in der Forschung nicht unumstrittene Position. Manche Interpreten meinen, der Weg der Sterblichen sei ein dritter, von den beiden anderen unterschiedener Weg.) Sobald die Sterblichen etwas Wahres gefunden haben, versuchen sie, etwas Nichtseiendes von ihm auszusagen und geraten so wieder auf den falschen Weg. Weil sie nicht gelernt haben, auf die Zeichen zu achten, die ihnen untrüglich den richtigen Weg anzeigen, irren sie orientierungslos herum. Anstatt sich an die Wegmarken zu halten verlassen sie sich auf die Wahrnehmung, auf das, was die Sprache nahelegt, und auf Gewohnheit. Diese drei vermeintlichen Erkenntnisquellen machen es den Menschen so außerordentlich schwer, dem richtigen Weg zu folgen, der sich nur durch Denken erschließt. Es ist eine radikale Abkehr von den durch den Anschein gestützten Meinungen notwendig, um erfolgreich Wissenschaft betreiben zu können. Die Diskrepanz zwischen der Art, wie wir etwas mittels der Wahrnehmung auffassen, und wie wir es denken müssen, wird auch durch das Fragment B4 ausgedrückt. Für das Urteil, ob etwas existiert oder ob etwas dieses Bestimmte ist, spielt es gar keine Rolle, ob es weit entfernt ist oder in unmittelbarer Nähe. Diesen Unterschied legt uns nur die Wahrnehmung nahe, da wir Dinge, die sich weit weg befinden, nur undeutlich oder gar nicht wahrnehmen können und deshalb versucht sind zu schließen, es gebe sie nicht. Betrachten wir etwas also nur unter dem Aspekt, dass es seiend ist, verschwinden alle Unterschiede und das Seiende hält sozusagen im Denken fest zusammen. Eine weitere Möglichkeit, die These vom Zusammenhalt des Seienden in Fragment B4 zu verstehen ist, alle wahren Sätze als Propositionen aufzufassen, die immer wahr bleiben, ungeachtet der Veränderung der Welt, die wir wahrnehmen. Der Satz, dass Anke Breunig am 25. Oktober 2007 eine Zusammenfassung der Seminarsitzung am 24. Oktober 2007 zur Vorlesung von Prof. Thomas Buchheim in der LMU München schreibt, wird auch am 26. Oktober, wenn sie etwas ganz anderes tut, noch wahr sein. Wie man an der umständlichen Formulierung merkt, müssen die Propositionen vollständig bestimmt sein, also keine kontextabhängigen Wörter enthalten wie ich oder heute, damit sich ihr Wahrheitswert nicht ändert. Zwischen diesen immerwahren Propositionen gibt es logische Beziehungen, durch die sie gewissenmaßen „zusammenhalten“ und ein einziges kohärentes System bilden. Auch wenn diese Deutung moderne Theorien über Propositionen in Anspruch nimmt, ist es durchaus möglich, dass Parmenides bereits in diese Richtung gedacht hat.
Parmenides: Ist Denken und Sein dasselbe?
Es gibt zwei verschiedene Lesarten des Fragments B3 „Το γαρ αυτο νοειν εστιν τε και ειναι“(to gar auto voein estin te kai einai): Die erste übersetzt die beiden Infinitive noein und einai als nominalisierte Infinitive. Die Übersetzung lautet dann „Dasselbe nämlich ist Denken und Sein.“ Denken und Sein werden hier also identifiziert. Eine Konsequenz dieser Lesart ist, dass Falsches gar nicht gedacht werden kann, da alles, was gedacht wird, auch existiert. Das ist jedoch nicht gut vereinbar mit Parmenides‘ Auffassung über die Meinungen der Sterblichen. Denn entweder wären diese nicht falsch oder sie wären, wenn falsch, gar nicht denkbar. Die zweite Möglichkeit den Satz zu verstehen ist, die Infinitive nicht zu nominalisieren. So übersetzt Thomas Buchheim „Dasselbe nämlich ist [geeignet] für denken und für sein.“ (Ebenso auch Curd (1998): „For the same thing is for thinking and for being.“, S. 28).
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