Freitag, 2. November 2007
Parmenides: Was die Menschen vom wahren Weg ablenkt
Zur Interpretation der Fragmente B6 und B7: Es gibt nur zwei Wege der Nachforschung, den, der zur Wahrheit führt, und den, der „völlig bar jeder Kunde“ ist. Die „doppelköpfigen“ Sterblichen aber können sich nicht entscheiden zwischen beiden Wegen. (Das ist eine in der Forschung nicht unumstrittene Position. Manche Interpreten meinen, der Weg der Sterblichen sei ein dritter, von den beiden anderen unterschiedener Weg.) Sobald die Sterblichen etwas Wahres gefunden haben, versuchen sie, etwas Nichtseiendes von ihm auszusagen und geraten so wieder auf den falschen Weg. Weil sie nicht gelernt haben, auf die Zeichen zu achten, die ihnen untrüglich den richtigen Weg anzeigen, irren sie orientierungslos herum. Anstatt sich an die Wegmarken zu halten verlassen sie sich auf die Wahrnehmung, auf das, was die Sprache nahelegt, und auf Gewohnheit. Diese drei vermeintlichen Erkenntnisquellen machen es den Menschen so außerordentlich schwer, dem richtigen Weg zu folgen, der sich nur durch Denken erschließt. Es ist eine radikale Abkehr von den durch den Anschein gestützten Meinungen notwendig, um erfolgreich Wissenschaft betreiben zu können. Die Diskrepanz zwischen der Art, wie wir etwas mittels der Wahrnehmung auffassen, und wie wir es denken müssen, wird auch durch das Fragment B4 ausgedrückt. Für das Urteil, ob etwas existiert oder ob etwas dieses Bestimmte ist, spielt es gar keine Rolle, ob es weit entfernt ist oder in unmittelbarer Nähe. Diesen Unterschied legt uns nur die Wahrnehmung nahe, da wir Dinge, die sich weit weg befinden, nur undeutlich oder gar nicht wahrnehmen können und deshalb versucht sind zu schließen, es gebe sie nicht. Betrachten wir etwas also nur unter dem Aspekt, dass es seiend ist, verschwinden alle Unterschiede und das Seiende hält sozusagen im Denken fest zusammen. Eine weitere Möglichkeit, die These vom Zusammenhalt des Seienden in Fragment B4 zu verstehen ist, alle wahren Sätze als Propositionen aufzufassen, die immer wahr bleiben, ungeachtet der Veränderung der Welt, die wir wahrnehmen. Der Satz, dass Anke Breunig am 25. Oktober 2007 eine Zusammenfassung der Seminarsitzung am 24. Oktober 2007 zur Vorlesung von Prof. Thomas Buchheim in der LMU München schreibt, wird auch am 26. Oktober, wenn sie etwas ganz anderes tut, noch wahr sein. Wie man an der umständlichen Formulierung merkt, müssen die Propositionen vollständig bestimmt sein, also keine kontextabhängigen Wörter enthalten wie ich oder heute, damit sich ihr Wahrheitswert nicht ändert. Zwischen diesen immerwahren Propositionen gibt es logische Beziehungen, durch die sie gewissenmaßen „zusammenhalten“ und ein einziges kohärentes System bilden. Auch wenn diese Deutung moderne Theorien über Propositionen in Anspruch nimmt, ist es durchaus möglich, dass Parmenides bereits in diese Richtung gedacht hat.
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